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Geschichten

Martin (19) erzählt von seinem Coming-out

Martin (19) erzählt von seinem Coming-out

Martin

Für mich selbst war eigentlich schon immer klar, wohin ich gehöre. Deshalb war es eigentlich nicht so schwer für mich einzugestehen, dass ich schwul bin. Im Gegenteil, ich konnte es ganz schnell akzeptieren.

Mein einziges Problem ist bis heute noch meine Herkunft, zumindest die Herkunft meiner Eltern. Denn die kommen aus Kasachstan und Homosexualität „gibt es dort nicht“.

Mit 12 hatte ich noch eine Beziehung mit einem Mädchen, wie es halt ist die vermeidlich erste große Liebe. Ich wusste allerdings, dass ich das nicht bin. Ein paar Monate danach habe ich einen Facebook Post gesehen, wo ein Mädchen sich als Bisexuell geoutet hat und ich fand das so cool und dachte mir, dass es eigentlich so einfach ist, sich zu outen.

Einige Wochen später habe ich darüber nachgedacht, mich auch outen zu wollen. Ich konnte es nicht für mich behalten und hab es in der Schule ein paar Freunden erzählt, die mich auch direkt akzeptiert hatten. Meine Sexualität kam in der Schule so gut an, dass ich Monate lang im Mittelpunkt stand. Vielleicht nicht gerade die schlauste Art sich zu outen.

Dann fing es an, ich hatte meinen ersten „Freund“ und das Drama konnte beginnen. Ich machte langsame Schritte und erzählte meinem Bruder von meiner Sexualität und er fand es nicht schlimm. Im Gegenteil, er war irgendwie glücklich, obwohl ich mit einer ganz anderen Reaktion gerechnet habe.

Coming-out-Geschichten

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Ich war glücklich und wollte mir mein Coming-out bei meiner Mutter noch etwas aufheben, weil ich mich vorher schon bei ihr ran getastet hatte, was dieses Thema betrifft. Ich wusste, meine Mutter würde es nie im Leben akzeptieren.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon geraucht, was auch mein Bruder wusste. Nachdem er abends eine Zigarette von mir wollte, ich allerdings nur eine einzige hatte, sagte ich „Nein“ und so begann die Drohung, dass er es der Mama erzählen würde. Als ich dachte er verarscht mich nur, rannte er aus der Tür raus und sagte: „Mama, Martin hat dir was zu sagen.“ Und wenn ich es ihr nicht sage, macht er das.

Also da saßen wir, meine Mutter und ich auf dem Sofa. Mein Bruder ist draußen gewesen, um eine zu rauchen und ich saß ganz aufgeregt auf der Couch. Meine Mutter fragte mich, ob ich verliebt sei, ob ich in ein Mädchen verliebt sei oder ob ich in einen Jungen verliebt sei. Ich meinte einfach nur: „Vielleicht mag ich beide Geschlechter?“. Und ab hier wollte ich meine Sachen packen und gehen. Mit 12 Jahren.

Meine Mutter begann zu weinen, sprach von Gott und sprach von Familienehre, sie sprach davon, dass ich nicht mehr ihr Sohn sei und ich in der Hölle landen werde.

Ich weinte.

"Eine Frau, zu der ich immer aufgesehen habe, sagt sowas verletzendes zu mir. Ich wollte danach nicht mehr zu Hause sein, wusste aber nicht wohin ich gehen sollte. Ich hatte keine Möglichkeiten."

Es war schrecklich mit ihr unter einem Dach zu wohnen, wir sprachen nicht mehr miteinander, sie fragte mich nichts mehr, was die Schule betrifft. Alle Gewohnheiten dich ich hatte, haben sich aufgelöst,. Von dem einen auf den anderen Tag. Mein Bruder wurde immer gemeiner zu mir, machte sich bei seinen Freunden über mich lustig und stellte mich da, als wäre ich kein Mensch mehr. Es gab eigentlich niemanden, der wirklich für mich da sein konnte. In dem Alter konnte ich meine Freunde auch nicht wirklich damit belästigen, so viel älter waren sie jetzt auch nicht.

Mein Onkel kam mich besuchen und fragte mich, ob ich das denn wirklich möchte. Ich meinte nur „JA ICH WILL ES! SO BIN ICH GLÜCKLICH“. Der Mann hat es auch verstanden. Ich glaube heute würde es ihn auch nicht stören, wenn ich ihm davon erzählen würde.

Wie ist es heute?

Heute lebe ich immer noch mit ihr zusammen und mein Bruder ist inzwischen ausgezogen. Allerdings habe ich ihr damals nach einem Monat erzählt, dass ich die Bibel gelesen hätte und gereinigt von meinen Sünden wäre. Wenn sie mich nicht akzeptieren konnte, dann muss ich sie akzeptieren.

Diese Geschichte bleibt in der Familie ein Tabu-Thema. Es spricht keiner darüber, meine Mutter denkt ich sei „Normal“. Aber durch diese Erfahrung und die Tatsache, dass ich mich nicht ausleben konnte, habe ich heute keinen einzigen Reitz mehr an Sexualitäten oder Liebe. Ich definiere mich selbst als den Typen ohne Zugehörigkeit.

Von Glücklich sein ist hier nicht mehr die Rede. Und das ist der Beweis, dass man sich seine Sexualität wirklich nicht aussuchen kann, so gern ich es würde.

Ich kann jedem nur den Rat geben, langsam zu machen. Kleine Schritte zu gehen und vielleicht erst bei den Freunden anfangen. Denn Freunde kommen und gehen, die Kreise ändern sich, aber deine Familie bleibt nun einmal.

Martin ist Mitglied der DBNA-Community. Du findest ihn unter dem Nicknamen "Nicki_becker".

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