Die Wahrheit ist einfach erlösend...
Es ist immer wieder problematisch, eine Geschichte oder einen Bericht zu beginnen, also fang ich mal ganz von vorne an:
Die Frage, ob ich vielleicht schwul sein könnte, habe ich mir zum ersten Mal mit 14 gestellt. Die Jungs in meiner Klasse hatten alle ein Auge auf ein MĂ€dchen geworfen. Es wurde geredet, geschwĂ€rmt und man bekam die wildesten Phantasien zu hören. Das Problem dabei war nur, dass mich das Ganze eher weniger interessierte. Also habe ich es einfach darauf geschoben, dass ich wohl ein SpĂ€tzĂŒnder bin und so war das ganze auch schon wieder vom Tisch. FĂŒr ein paar Monate zumindest, denn dann begann ich Interesse fĂŒr jemanden zu entwickeln, einen Jungen aus meiner damaligen Klasse.
Da wir in unterschiedlichen Freundeskreisen waren, habe ich ihn in ICQ angeschrieben und so begannen wir uns anzufreunden. Wir hatten mehr Kontakt in der Schule und haben so gut wie jeden Tag geschrieben, worĂŒber ich einfach nur glĂŒcklich war. Mit der Zeit habe ich dann begriffen, dass ich nicht nur mit ihm befreundet sein wollte, da sollte einfach mehr entstehen. Also habe ich zum ersten Mal ernsthaft darĂŒber nachgedacht, an welchem Geschlecht ich ĂŒberhaupt Interesse habe. Um mich nicht vollkommen zu ĂŒberfordern, habe ich eine Art Kompromiss mit mir selbst geschlossen und mir gesagt, dass ich wohl bi bin. Bis zum Beginn der Oberstufe habe ich dann mit diesem Kompromiss gelebt und ich hatte keine weiteren Probleme damit. ErzĂ€hlen wollte ich es dennoch nicht. In der Oberstufe wurden die Klassen neu gemischt, schlieĂlich wĂ€hlte jeder andere LkÂŽs, und so kam ich mit SchĂŒlern aus meiner Parallelklasse in Kontakt.
Da ich auf eine Gesamtschule gegangen bin, wurde man in der Mittelstufe abhĂ€ngig von seinen Leistungen in unterschiedliche Kurse gesteckt, sodass man mit SchĂŒlern aus einer anderen Klasse in diesem Kurs zusammen unterrichtet wurde. Mit den zwei anderen Klassen hatte man jedoch keinen Kontakt. In den ersten Tagen der Oberstufe gab es ein kleines Projekt, um die anderen kennen zu lernen. Ich kam in eine Gruppe mit zwei MĂ€dchen, die ich vom Sehen kannte, jedoch hatten wir in der Mittelstufe keinen Kontakt. Ich hatte wirklich gedacht, dass du schwul bist, bekam ich nach dem Projekt von einem meiner Gruppenmitglieder zu hören. Aber du scheinst gar nicht schwul zu sein. Ich war noch nie so ĂŒberfordert gewesen und konnte auch erstmal nichts sagen. Ich habe dann erfahren, dass in der Mittelstufe das GerĂŒcht zustande gekommen ist, dass ich schwul bin, da mein Freundeskreis in der Schule mehr MĂ€dchen als Jungs beinhaltete.
Ich kann nicht beschreiben, wie ich mich danach gefĂŒhlt habe. Ich war in dem Moment einfach am Ende. Die Selbstsicherheit, die ich mit der Zeit bekommen hatte, war dahin. Was fĂŒr mich am schlimmsten war: ich wusste nicht, wer an das GerĂŒcht glaubte, wer davon wusste und wer es ĂŒberhaupt in die Welt gesetzt hat. Ich bin direkt zu meiner besten Freundin gegangen, die glĂŒcklicherweise in derselben Klasse war, und wir haben darĂŒber gesprochen. Geoutet habe ich mich aber immer noch nicht, da ich einfach noch nicht bereit dafĂŒr war. Mit der Zeit hat sich dann auch heraus kristallisiert, wer an das GerĂŒcht glaubte. Zu meinem GlĂŒck waren es nicht viele Menschen, und da ich viele Freunde in der Oberstufe hatte, stellten diese auch keine weitere Bedrohung fĂŒr mich dar, was mich erleichterte.
In den Sommerferien, also dem Ăbergang von der Elften in die Zwölfte, habe ich dann begonnen mich zu outen, da ich mit Ende 18 endlich das BedĂŒrfnis dazu verspĂŒrte, zunĂ€chst jedoch nur als bisexuell. Meine Mum, meine beste Freundin und meine zwei besten Kumpels waren nun also eingeweiht und keiner hatte ein Problem, was mich weiterhin bestĂ€rkte. Ich datete ein MĂ€dchen, outete mich bei weiteren Freunden und meinem Vater als bi und die Zeit verging wie im Flug, sodass wir schon im Jahr 2014 angelangt waren. Im FrĂŒhling habe ich dann noch einmal ganz genau ĂŒber meine sexuelle Orientierung nachgedacht und bin zu einem klaren Entschluss gelangt: ich bin schwul und trotzdem besitze ich denselben Wert wie alle anderen auch.
NatĂŒrlich musste ich das dann bei meinen Freunden und Eltern klarstellen und manche werden sich vielleicht fragen, warum ich mich ĂŒberhaupt als bi geoutet habe, aber ich konnte es mir damals einfach noch nicht eingestehen, schwul zu sein, jedoch wollte ich, dass man zumindest weiĂ, dass ich Jungs anziehend finde. Mittlerweile macht es mir sogar SpaĂ mich bei Leuten zu outen. Auch mit meiner HomosexualitĂ€t hatte bisher keiner ein Problem und ich bin wirklich dankbar fĂŒr die Eltern und Freunde, die ich habe. Es hat lange gedauert und es gab einige Situationen, die mich aus der Bahn geworfen haben, aber schlussendlich ist alles perfekt, wie es nun einmal ist. Es ist in Ordnung verunsichert zu sein, so lange man sich am Ende zusammenreiĂt und zu sich steht. Man besitzt schlieĂlich auch einen Wert und den kann einem keiner nehmen!
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