Milk

Ein offen schwuler Mann im Stadtrat? In den USA der 70er Jahre ist das undenkbar. Aber allen Widerständen zum Trotz schafft der schwule Bürgerrechtler Harvey Milk genau das.
1977 gelingt es Harveyendlich, in den Stadtrat gewählt zu werden. In seinem dortigen Kollegenund Familienvater Dan White (Josh Brolin) sieht Harvey einen möglichenVerbündeten und bemüht sich darum, ihn für seine Ziele zu gewinnen.Gleichzeitig befürchtet er, dass eine der zahlreichen Morddrohungenwahr gemacht wird, und beginnt, seine Memoiren auf Kassette zu sprechen.

Imneuen Jahrtausend scheint die lange Zeit der Heimlichkeit undUnterdrückung, dann die Zeit der Quotenschwulen überwunden undHomosexualität endlich akzeptiert zu sein. Acht Oscar-Nominierungen undzwei Auszeichnungen für "Milk" (Sean Penn als bester Darsteller undDustin Lance Black für das Drehbuch) sind nach dem Erfolg von"Brokeback Mountain" zwei Jahre zuvor ein Beweis mehr. Der Kampfscheint gewonnen. Kann also gefeiert werden? Bedeuten dieseAuszeichnungen der Filmbranche überhaupt, dass im AlltagslebenSchwulsein ebenso akzeptiert wird?
Der schwule Regisseur Gus VanSant hat mit viel Detailliebe (dahingehend sind auch die DVD-Extrassehr aufschlussreich) und einigen Archivaufnahmen die Filmbiographie"Milk" zu einer lebendigen und einnehmend nostalgischen Dokumentationder Schwulenbewegung der 1970 gemacht. Dadurch vermittelt der Filmeinen starken Eindruck dieser kämpferischeren Zeit, die die jüngereGeneration nicht miterlebt hat, deren Früchte sie aber in den letztenJahren immer mehr geerntet hat.

Die Schwulenbewegung ist nur scheinbar am Ziel
Seitdem Stonewall-Aufstand kämpfte man für grundlegende Gleichberechtigung,gegen Leute wie Anita Bryant oder Senator John Briggs (gespielt vonDenis O'Hare), gegen die Entlassung schwuler Lehrer. Dagegen erscheintdie heutige Frage, ob kleine oder große Homo-Ehe, zunehmend unbedeutendund die Lanze der Schwulenbewegung durch Karnevalisierung undKommerzialisierung gebrochen. Das Gros der Schwulen fühlt sich in derheteronormierten Konsumentenrolle wohl genug, um stillzuhalten.Gleichzeitig wurden z.B. in Kalifornien bei der Präsidentschaftswahl inden USA gewonnene Rechte wieder eingeschränkt.

Film genießen, nachdenken und handeln
Zugegebensind es aber gerade auch die schnuckeligen Heterodarsteller, die denFilm so sehenswert machen. Penns Leistung ist wahrlich ohne Gleichenund James Franco sollte am besten in jeder Einstellung zu sehen sein.Die Schauspieler sehen aber nicht nur gut aus, sondern leisten wie VanSant Herausragendes. Der Film bringt seinen Figuren tiefe Sympathieentgegen, selbst den Widersachern, was dem Drama eine gewisseLeichtigkeit verleiht.
So ist am Ende nicht nur die PersonHarvey Milk eine wichtige Episode der Schwulenbewegung, sondern derFilm selbst ein wichtiger Beitrag für die schwule Kultur. "Milk" istein unbedingtes Film-Muss!