Wieso (k)eine Mr. Gay Wahl?

Eigentlich hätte am letzten Wochenende die Wahl des "Mr. Gay Europe 2010" in Genf stattfinden sollen. Die kurzfristige Absage wurde durch den Rückzieher des Grand-Hotel Kempinski ausgelöst.
Identifikation und Repräsentation
Laut Veranstalter wirkt der Gewinner bei Jugendlichen als Identifikationsfigur und sorgt für eine positivere Einstellung gegenüber ihrer Homosexualität. Zusätzlich nimmt er eine "Botschafter-Funktion" auf europäischer Ebene ein. Er soll die schwule Gemeinschaft repräsentieren und sich mit Themen, wie Schutz vor Diskrimination, Recht auf Ehe und Adoption sowie Gleichheit, befassen. Ein weiteres Argument der Organisatoren ist, dass ein Mr. Gay Europe als Vertreter für den europäischen Kontinent mehr Unterstützung bekommt und durch seinen größeren Einfluss auch in weniger toleranten Ländern gehört wird.

"Fleischbeschauen"
Trotz dieser positiven Einstellung steht sicherlich das Aussehen der Kandidaten im Mittelpunkt. Das zeigen die leicht bekleideten Finalisten-Fotos der letzten Mr. Gay Wettbewerbe in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich. Auch wurde auf den Flyern der Mr. Gay Europe Wahl mit einem muskulösen, jungen Mann in attraktiver Pose geworben. Bei der Suche nach dem Schweizer Mr. Gay entscheidet, nach einer Vorauswahl durch eine Jury, zum Teil der (subjektive) Zuschauer. Im Halbfinale macht das Publikum 60% der Stimmengewichtung aus. Doch im Finale wird die Einflussmöglichkeit mit jeder Runde abnehmen.
Die Mr. Gay Wahlen werden in Schwulenportalen schon mal abwertend "Fleischbeschauen" genannt. Der amtierende Mr. Gay aus der Schweiz Dominic Hunziker ist "nicht besonders scharf darauf in Slips über den Catwalk zu laufen. Das ist zwar witzig, aber ich setze mich lieber politisch ein". Demnach besitzt eine solche Wahl mit seinen leicht erotischen Darstellungen nicht nur den von den Veranstaltern gepriesenen politischen und sozialen Charakter.
Haben Mr. Gay Wahlen eine Zukunft?
Der Wettbewerb in Genf wurde wegen zu geringer Einnahmen eines Hauptsponsors abgesagt. Einen Monat zuvor kamen bereits erste Zweifel auf, ob das Event wirklich stattfinden würde. Denn es gab nur 10 Kandidaten, wie das Schweizer Magazin "360°" schrieb. Bereits bei der letztjährigen "Europride" in Zürich wurde eine ähnliche Wahl abgesagt, damals wegen zu wenigen Anmeldungen.
Das Problem ist, dass die Wettbewerbe nur in unregelmäßigen Abständen stattfinden oder kurzfristig abgesagt werden. Aufgrund dieser Unsicherheit melden sich Kandidaten erst später oder gar nicht. Auch existieren mehrere Organisationen, die unabhängig voneinander internationale Mr. Gay Wahlen organisieren. Diese sind zumeist auf Sponsorengelder angewiesen. Und wie in Genf zu sehen war, kann eine Mr. Gay Wahl bei dem Rückzug eines Sponsors sehr schnell vorbei sein, bevor sie überhaupt angefangen hat.