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Schwule unterm Hakenkreuz

Von DBNA Team
Schwule unterm Hakenkreuz

table / photocase.de

Am 27. Januar 1945 gegen 15 Uhr erreichen Soldaten der Roten Armee das Stammlager des KZ Auschwitz. Sie finden rund 1.200 kranke Gefangene vor. Über das Schicksal homosexueller Häftlinge ist nur wenig bekannt. Die meisten Erkenntnisse beziehen sich auf Berichte von Zeitzeugen und wenigen Betroffenen. Einer von ihnen war Rudolf Brazda.

Am 27. Januar 1945 gegen 15 Uhr erreichen Soldaten der Roten Armee das Stammlager des KZ Auschwitz. Sie finden rund 1.200 kranke Häftlinge vor. In den Wochen vor der Ankunft wurden bereits ca. 60.000 Häftlinge in Güterwaggons und mittels Todesmärschen durch die SS aus dem Lager getrieben, um ihre Befreiung durch die sowjetische Armee zu verhindern. Allein in den letzten Tagen von Auschwitz-Birkenau starben Schätzungen zufolge zwischen 9000 und 15.000 Menschen.

Über das Schicksal homosexueller Häftlinge in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ist nur wenig bekannt. Die meisten Erkenntnisse beziehen sich auf Berichte von Zeitzeugen und wenigen Betroffenen. Einer von ihnen war Rudolf Brazda.

Erweiterung des Homosexuellen-Paragraphen

Er wird 1913 in der Nähe von Leipzig geboren und bemerkt im Alter von 20 Jahren, dass er schwul ist. Zur damaligen Zeit ist homosexueller Geschlechtsverkehr laut §175 strafbar. 1935 wird das Gesetz vom Nazi-Regime erweitert. Nun stehen selbst Küsse und "begehrliche Blicke" unter Strafe. Nach einer Verurteilung und sechsmonatiger Haftstrafe vor dieser Gesetzesänderung wird Brazda in die Tschechoslowakei, das Heimatland seiner Eltern, ausgewiesen.

Hier kann er noch einige Jahre relativ unbehelligt leben, bevor 1938 das Sudetenland vom Deutschen Reich annektiert wird. Zu dieser Zeit erlebt die Strafverfolgung Homosexueller ihren Höhepunkt. Beinahe 10.000 Verurteilungen gibt es jährlich auf Grund des §175. Doch dies war noch nicht der Höhepunkt der Hexenjagd. Schon bald begann die Deportation Homosexueller in Konzentrationslager.

Rudolf Brazda 2009
Rudolf Brazda 2009

Dieses Schicksal ereilte Rudolf Brazda am 30. März 1941. Er wurde nach Buchenwald gebracht und als Häftling mit dem berüchtigten Rosa Winkel gebrandmarkt. Dieser war das offizielle Erkennungszeichen für Insassen, die auf Grund ihrer Homosexualität inhaftiert wurden.

Ab diesem Zeitpunkt begann sein Martyrium: Gefangenschaft, Zwangsarbeit im Steinbruch und willkürliche Schläge von Wachen. Allerdings betrachtet Brazda sein eigenes Schicksal noch als Glück. Viel mehr machte ihn betroffen, was seinen Mitgefangenen widerfuhr. So wurden immer wieder schwule Gefangene kurzerhand ermordet, starben bei der Zwangsarbeit oder wurden für abstruse medizinische Versuche missbraucht, an deren Folgen nicht wenige starben.

Die "Umerziehung" zur Heterosexualität

So versuchte man, an schwulen Männern durch diverse Experimente den Grund für ihre Homosexualität zu erforschen. Ebenso wurde durch Operationen die "Umerziehung" zur Heterosexualität versucht. Nicht selten kam es auch zur Zwangskastration schwuler Männer. Schließlich waren Homosexuelle nach Ansicht der Nazis eine Schwächung des arischen Männlichkeitsideals. Sie wurden für niedrige Geburtenraten verantwortlich gemacht und galten als Vaterlandsverräter.

Rudolf Brazda hatte Glück im Unglück. Er wurde nicht zu medizinischen Versuchen herangezogen. Im Gegenteil: Einige Zeit nach seiner Inhaftierung durfte er die mörderische Arbeit im Steinbruch beenden und wurde zu einer leichteren Arbeit als Dachdecker abkommandiert. Durch eine geheime Liebesbeziehung zu einem Lageraufseher schaffte er es, die grauenvolle Zeit im KZ zu überleben.

Sanchez de la rossa / photocase.de

Im Frühjahr 1945, als die Rote Armee kurz vor Buchenwald stand, entging er den als Evakuierung bezeichneten Todesmärschen und konnte sich bis zur Befreiung in einem Stall verstecken. Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft ging Brazda nach Süddeutschland, wo er seinen späteren Freund kennenlernte, mit dem er bis zu dessen Tod 2002 zusammenlebte.

Die Hälfte überlebte die Haftzeit nicht

Während der Naziherrschaft wurden Massenmorde an rund 6 Millionen Juden, weiteren Millionen Slawen, an hunderttausenden Behinderten, etwa 20.000 deutschen Kommunisten und Sozialdemokraten und 1.200 Zeugen Jehovas begangen.

Insgesamt wurden während dieser Zeit zwischen 10.000 und 15.000 homosexuelle Männer in Konzentrationslager verschleppt. Etwa die Hälfte von ihnen überlebte die Haftzeit nicht. Rudolf Brazdas Berichte aus dem KZ Buchenwald mahnen uns, auch derer zu Gedenken, die auf Grund ihrer Sexualität von den Nationalsozialisten verfolgt, eingesperrt, gefoltert und ermordet wurden.

Rudolf Brazda starb am 3. August 2011. Nach der Einäscherung wurde seine Asche neben der seines Lebenspartners bestattet.

Weitere Quellen: Photocase.de/Sanchez de la rossa, table, dr.dentz

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