Leben

Schule ohne Homophobie

Von DBNA Team
Schule ohne Homophobie
jonathandowney/Istockphoto

dbna sprach mit Markus Chmielorz, dem Diplom-Pädagogen im regionalen SchLAu-Team Bochum, das auch Kooperationspartner von "Schule der Vielfalt" ist .

SchLAu NRW (Schwul Lesbische Aufklärung in Nordrhein-Westfalen) ist ein Netzwerk aus 15 Projekten, die durch  "peer-education" schwul-lesbische Aufklärungsarbeit leisten. Vor etwa vier Jahren haben sie in Kooperation mit der Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW das Projekt "Schule der Vielfalt Schule ohne Homophobie" ins Leben gerufen.

Markus, "Schule der Vielfalt Schule ohne Homophobie" gibt es nun seit über drei Jahren. Gab es Hindernisse politischer oder gesellschaftlicher Art, die es Euch erschwerten das Projekt zu etablieren?
Markus Chmielorz: Wir haben das Projekt "Schule der Vielfalt Schule ohne Homophobie" zum ersten Mal auf dem 13. Kinder- und Jugendhilfetag in Essen im Jahr 2008 der Öffentlichkeit vorgestellt. Das war der Startschuss des Projektes. Schwerpunkte waren dann zunächst die beiden Städte Köln und Bochum, weil es dort regionale SchLAu-Gruppen gibt, die das Projekt vor Ort vorangebracht haben. In Köln gab es nach etwas Anlaufschwierigkeiten Unterstützung der kommunalen Schulbehörde, in Bochum hat die Oberbürgermeisterin die Schirmherrschaft des Projektes übernommen.
Markus Chmielorz
Markus Chmielorz
Markus Chmielorz
Das Projekt arbeitet landesweit und wurde von Anfang an von dem damaligen Familienministerium und dem Schulministerium ideell unterstützt. Ideell hieß aber auch, dass wir einerseits keine finanzielle Unterstützung durch das Land NRW bekamen, andererseits aber im Schulanzeiger über das Projekt berichtet wurde.

Unsere Idee, zum Auftakt des Projektes im Oktober 2008 in die Landespressekonferenz zu gehen, scheiterte letztlich an nicht ganz unbeträchtlichem Widerstand. Unser "Thema zur Homosexualität an Schulen" sei nichts für die Landespressekonferenz, hat uns damals Frau Heyer von der Landespressekonferenz geschrieben, obwohl bereits ein konkreter Termin zugesagt war und es bei unserem Projekt eben nicht um "Homosexualität an Schulen" geht. Seit dem Regierungswechsel in NRW im Jahr 2010 hat sich die Unterstützung durch das Schulministerium sehr deutlich verbessert. Trotz der Neuwahlen jetzt  ist wohl sicher, dass wir ab August für zwei Jahre durch das Schulministerium unterstützt werden, indem es einen Lehrer für die Arbeit im Projekt abordnen und Sachkosten finanzieren wird.

Auf der gesellschaftlichen Ebene merken wir sehr deutlich, dass es noch sehr viele Vorbehalte von Schulen gibt, am Projekt "Schule der Vielfalt Schule ohne Homophobie" teilzunehmen. Diese sind in Westfalen deutlich größer als im Rheinland. Doch obwohl alle Schulen, die bisher am Projekt teilnehmen, in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln liegen, ist bisher nur eine Schule aus dem Kölner Stadtgebiet offizielle Projektteilnehmerin. Allerdings haben die SchLAu-Workshops in Köln mittlerweile einen so hohen Zulauf, dass das ehrenamtliche Kölner Schulaufklärungsprojekt gezwungen ist, mit einer Warteliste zu arbeiten.

Die Erfahrungsberichte auf Eurer Homepage zeigen, dass ins Besondere die Reaktionen der Schüler äußerst positiv sind. Was das von Anfang an so?
Markus Chmielorz: Da ist es wichtig, sehr deutlich zu unterscheiden, von wem die Initiative ausgeht, sich an der Schule mit dem Thema Homophobie und mit sexuellen Orientierungen zu beschäftigen. Alle Umfragen, die uns vorliegen, sprechen ja eine deutliche Sprache: 71 Prozent der Jungen und 51 Prozent der Mädchen sind nach einer Studie von iconkids & youth aus den Jahren 1998 und 2002 Homosexuellen gegenüber negativ eingestellt.

Ja, es gibt sie, die engagierten Schülerinnen und Schüler, die an ihrer Schule etwas gegen Homophobie bewegen wollen: Sie setzen sich dafür ein, dass Workshops zum Thema stattfinden, sie organisieren Projekttage oder einen "sponsored walk". Ein solcher  Sponsorenlauf zugunsten unseres Projektes hat die Gesamtschule Niederzier/Merzenich, die als zweite "Schule ohne Homophobie" im September 2009 mit den Schülerinnen und Schülern durchgeführt : Für jeden gelaufenen Kilometer gab es eine Spende. Andererseits ist uns auch klar geworden, dass sich insbesondere Jungen und junge Männer Schwulen gegenüber abwertend und verunglimpfend verhalten und dass Sprüche wie "Du hast aber ein schwules T-Shirt" zum Alltag in Schulen gehören, ohne dass Lehrerinnen und Lehrer sehr deutlich gegen Homophobie Stellung beziehen.

Gab es Widerstand seitens der Eltern, die etwaige Ressentiments selbst noch nicht überwunden haben?
Markus Chmielorz: Wir brauchen uns ja nur umzugucken, und es wir uns nicht schwerfallen, Vorurteile gegen Lesben und Schwule zu finden. Erst in der letzten Woche hatten wir ein Gespräch mit einem Schulsozialarbeiter, der einen 13-Jährigen in seinem Coming-out begleitet: "Ich will nicht, dass mein Sohn an so einen gerät", war die Aussage des Vaters im Gespräch mit dem Sozialarbeiter.

Ja, wir kennen aus der lesbisch-schwulen Jugendarbeit Eltern, die z.B. eine religiöse Tradition pflegen oder die noch ein sehr traditionelles Rollenbild leben. Ihnen fällt es oft schwerer, sich überhaupt damit zu beschäftigen, dass es so etwas wie sexuelle Vielfalt in unserer Gesellschaft gibt. Was unser Projekt betrifft, haben wir jedoch nie erlebt, dass diese Eltern der Grund waren, dass sich eine Schule gegen die Teilnahme am Projekt entschieden hat. Im Gegenteil: Die Reaktionen zeigen, wie wichtig es ist aufzuklären, und das geht mit "Schule ohne Homophobie Schule der Vielfalt" eben besser als ohne.
Flyer des Projekts "Schule der Vielfalt"
Flyer des Projekts "Schule der Vielfalt"
Schule der Vielfalt
An wie vielen Schulen läuft das Projekt derzeit? Und gibt es Pläne die Aktion bundesweit zu etablieren?
Markus Chmielorz: Aktuell haben fünf Schulen in NRW das Logo des Projektes "Come in Wir sind offen lesbisch schwul bi hetero" angebracht. Für alle, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schülerinnen und Schüler, ist so deutlich sichtbar: Wir sind "Schule der Vielfalt Schule ohne Homophobie". Bevor sie sich dazu entschlossen haben, haben sie ihre Schulöffentlichkeit über das Projekt informiert, haben mit einem Aktionstag den Projektstart eingeläutet und arbeiten nun immer wieder am Thema sexuelle Orientierungen. Dies geschieht entweder dadurch, dass sie gemeinsam mit SchLAu Workshops durchführen oder dass sie eine der 35 Unterrichtsmethoden, die die Homepage des Projektes bereithält, selbst umsetzen.

Daneben gab es aber sehr viele Schulen, Schulklassen, Lehrerinnen und Lehrer, die sich mit dem Projekt auseinandergesetzt, Projekttage und SchLAu-Workshops durchgeführt haben oder sich an unserem Ideenwettbewerb gegen Homophobie beteiligt haben. In Zukunft wollen wir diese Aktivitäten stärker dokumentieren, um auch dieses Engagement gegen Homophobie sichtbarer zu machen. Doch auch der Kreis der Schulen, die selbstbewusst mit dem Projekt nach außen treten, soll weiter wachsen. Hier setzen wir ganz stark darauf, endlich auch ein finanziell gefördertes, sowie ein personelles Angebot zu haben, das dem Bedarf und den Aufgaben innerhalb des Projektes entspricht.

Der Erfolg der "Schule der Vielfalt" ist beträchtlich. Gibt es dennoch Aspekte in Eurem Konzept, die Ihr in Zukunft noch weiter optimieren wollt?
Markus Chmielorz: Im Jahr 2010 haben wir im Rahmen von "Schule der Vielfalt Schule ohne Homophobie" einen landesweiten Jugendwettbewerb gegen Homophobie durchgeführt, der ein voller Erfolg war. Insgesamt haben sich daran 112 Jugendliche mit 21 Beiträgen beteiligt. Das zeigt uns, wohin die Richtung noch gehen kann: mehr Schulen dafür zu gewinnen, an dem Projekt teilzunehmen, und den Schritt in die offene und verbandliche Jugendarbeit zu machen, um dort Projekte gegen Homophobie und für mehr sexuelle und geschlechtliche Vielfalt anzustoßen.

Eine Eurer zentralen Forderungen ist "die Enttabuisierung des Themas Homosexualität in der Schulpolitik". Um dies zu erreichen, sollen unter anderem die Lehrpläne geändert, neue Schwerpunkte in der Lehrerausbildung gesetzt werden und aufklärerische Projekte umfassender gefördert werden. Was hat sich seit Beginn der Kampagne getan und was wird sich in absehbarer Zukunft ändern?
Markus Chmielorz: In NRW gab es bereits 1998 den ersten Vorstoß, sexuelle Vielfalt im Unterricht darzustellen und zum Thema zu machen, das ist die Theorie. Die Praxis, so zeigt uns das Projekt, sieht anders aus, denn seit dem Projektstart sind nun bereits vier Jahre vergangen, ehe es uns gelungen ist, eine Förderung für das Projekt zu bekommen, die uns erlauben wird, dass zum ersten Mal eine ganze Stelle nur für dieses Projekt arbeiten wird.

In den ersten drei Jahren haben wir mit sehr wenigen Projektmitteln und viel ehrenamtlichem Engagement gearbeitet. Im letzten Jahr fielen auch die Projektmittel weg. Gemeinsam mit dem Schulministerium erarbeiten wir nun, was die ab dem 1. August 2012 geplante Fachberatung "Schule der Vielfalt Schule ohne Homophobie" machen wird.

Ein Schwerpunkt wird sein, alle zu erreichen, die sich mit Schule und mit dem, was in der Schule passiert, beschäftigen. Wir werden mit den regionalen Bildungsbüros arbeiten und mit den Zentren für Lehrerinnen- und Lehrerbildung, wir werden die Schulleitungen für das Projekt gewinnen und die Dezernate in den Schulämtern der Bezirksregierungen. Dafür ist es nötig, dass jemand mit seinem ganzen Wissen und mit seiner ganzen Energie nur für dieses Projekt arbeiten wird. Das wir jedoch nur der Fall sein, wenn nach den Wahlen im Mai auch die neue Landesregierung daran festhalten wird, uns mit Personal und mit Sachkosten zu unterstützen.

Wie kann man sich am Projekt "Schule der Vielfalt" beteiligen?
Markus Chmielorz: Der erste Schritt ist, sich zu informieren. Alles, was rund um das Projekt und für das Projekt wichtig ist, steht auf unserer zentralen Homepage www.schule-der-vielfalt.de. Dort finden alle die, die Interesse haben mitzumachen, auch einen Leitfaden, wie es geht: informieren, anmelden, Logo anbringen sowie Aktivitäten durchführen und dokumentieren. Die vier Schritte sind denkbar einfach; die Schulen brauchen es nur zu wollen, und schon sind sie dabei.

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