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Alt kauft Jung

Von Fabian
Alt kauft Jung
pixabay

Hans, Anfang 50, hat Sex mit Escorts. Über einen Mann, der Geld bezahlt, um mit jungen Männern zu schlafen, das selbst "moralisch nicht neutral" findet, darauf aber trotzdem nicht verzichten möchte.

Drei- bis viermal im Jahr, manchmal öfter, ab und zu auch zweimal im Monat, sucht Hans* nach einem Escort. Er besucht die schwule Dating-Seite Planetromeo. Dort kann er gezielt nach Nutzern suchen, die sich als Escort registriert haben.

Escort klingt erst einmal harmlos und vor allem seriös, verbindet man damit normalerweise eher einen Begleitservice für Abendessen oder Galas. Doch darauf ist Hans nicht aus. Escorts sind Callboys. Sie verkaufen ihren Körper. Sex gegen Geld. Prostitution.

Der erste Callboy im Urlaub

Hans ist Anfang 50, er wohnt in München. 2005 hat er zum ersten Mal einen jungen Mann für Sex bezahlt. Er war im Urlaub in Rio de Janeiro. In einem Schwulenclub wurde er angesprochen. "Ich war mir nicht sicher, ob er ein Escort ist", erzählt Hans, der nie das Wort Callboy benutzt. Der Brasilianer, "ein hübscher junger Mann, welliges Haar, schlank", wie er ihn beschreibt, hat sich lange mit ihm unterhalten, sie haben getanzt, sich gut verstanden.

Sie beschlossen, zu Hans zu gehen. Erst auf dem Weg zu seinem Hotel hat er ihn gefragt, ob er denn Geld dafür nehmen wolle. Die Nacht hat ihm gut gefallen. "Das war für mich eine erste, recht positive Erfahrung."

120 Euro ist ihm eine Stunde wert

Drei Jahre später hat er in Deutschland begonnen, Escorts zu suchen. Hans betont, dass er auch Sex mit Gleichaltrigen hat, für den er nicht bezahlt. "Aber ich stehe eben vor allem auf Leute zwischen 18 und 30." Nur dass die in der Regel nicht an ihm interessiert sind. Das weiß er.

Etwa 120 Euro bezahlt Hans für eine Stunde Spaß. "Maximal 150. Aber mehr kann ich mir nicht leisten." Denn Hans ist Geringverdiener, verdient 1500 Euro netto. Alleine seine Wohnung kostet 500 Euro kalt. "Da muss ich schon auf die Kasse gucken."

Er selbst findet es "moralisch nicht neutral"

Weniger als hundert Euro würde der Münchner aber nicht bezahlen. "Das ist ja eine sehr hohe Leistung, mit vollem Körpereinsatz. Das muss seinen Preis haben", findet er. Wenn er so darüber spricht, klingt es, als rede er über eine ganz normale Dienstleistung.

Das ist es für ihn schließlich auch. "Es ist das älteste Gewerbe der Welt." Ein Satz, der einfach fallen musste. Doch Hans weiß auch, dass der Escortservice "moralisch nicht neutral" ist. Dass manche Jungs und es werden nicht wenige sein einfach keine andere Möglichkeit sehen, um an Geld zu kommen, will er nicht gelten lassen. "Das ist letztlich ihre Sache. Der Mensch ist erst einmal frei, wie und was er macht."

"Es ist so unkompliziert"

Seine Wortwahl wird philosophischer. Hans hat studiert, er ist intelligent. "Jeder Mensch hat Zwänge. Ich könnte ohne meinen Job auch nicht leben." Er sagt das bestimmt, als müsste er sich verteidigen. Doch ihm wird bewusst, dass der Vergleich hinkt. "Vielleicht rede ich mir das auch schön."

Schließlich mag er seine Escorts. "Es ist so unkompliziert. Da muss ich mir keine Sorgen machen, dass ich nicht attraktiv genug bin", erklärt er. Die Jungs haben auch dazu beigetragen, dass er einen normaleren Umgang mit seiner Sexualität gefunden hat.

50 bis 100 Escorts hat er getroffen

Denn mit 18, als er sein inneres Coming-out hatte, hat er Homosexualität noch für eine Krankheit gehalten. Erst als er über 30 war, hat er sich einigermaßen wohl gefühlt mit dem Gedanken, schwul zu sein. Schüchtern ist Hans auch heute noch. Da findet er es gut, dass die Jungs meistens den ersten Schritt machen.

Einige der Escorts trifft er öfter. "Aber das Besondere ist ja, Sex mit einem neuen jungen Mann zu haben. Das hat etwas Überraschendes." Viele sind nur für eine kurze Zeit in München und reisen dann weiter. Über die Jahre wird er wohl 50 bis 100 Jungs bezahlt haben, überschlägt er ganz grob. Negative Erfahrungen kann Hans an einer Hand abzählen.

Zuerst das Geld, dann der Sex

Das häufigste Problem: Das Alter. "Ich rechne im Geiste schon immer drei bis vier Jahre dazu", sagt er. Denn je jünger, desto begehrter sind Escorts. Kein Wunder, dass da manch einer schummelt. Einmal, erzählt Hans, hat er einen angeblich 28-Jährigen getroffen. "Der war aber mindestens 40, eher 45." Er hat sich trotzdem auf ihn eingelassen.

Wenn der Sex vorbei ist, geht Hans meist schnell wieder. Das Geld bekommen die Jungs sowieso gleich am Anfang. "So ist das erledigt und sie müssen sich keine Sorgen machen. Dann ist alles entspannter." Nur mit wenigen Escorts, die er länger kennt, kann er sich danach noch unterhalten. Mit einem Jungen hat sich eine richtige Freundschaft entwickelt.

Er lässt seinen Kunden nicht spüren, dass er sich nur verkauft, um sein schmales Azubi-Gehalt aufzubessern. Doch Hans hat ihn durchschaut. "Das ist doch nur eine Masche, um die Männer an sich zu binden." Wohl fühlt er sich trotzdem.


*Name geändert. Der echte Name ist dem Autor bekannt.

Dieser Text ist zuerst in der out!, dem Verbandsmagazin vom Jugendnetzwerk Lambda, erschienen. Hier geht's zur gesamten Ausgabe mit dem Titelthema "Alter".

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