Steh dazu!
Alles ging so schnell. Die Angst nicht zu wissen, wie das Umfeld reagiert. VerlustÀngste. Ein in der Gesellschaft etablierter Junge outet sich als schwul. Dieser Junge war ich.
Am Ende der 10. Klasse bei unserer Abschlussfahrt in ein langweiliges und kleines Ărtchen auf der Insel RĂŒgen passierte es dann: ich habe ihn gekĂŒsst. Wir haben nie wieder darĂŒber gesprochen, doch die Abweisung seinerseits nach diesem Kuss war mehr als eindeutig. Gut, dass ich danach auf ein Gymnasium wechselte und wir nicht mehr jeden Tag miteinander zu tun hatten. Ich kam nach Hause und hatte richtige Schmerzen. Dieses GefĂŒhl hatte ich noch nie. Tage lang lag ich in meinem Bett, habe nichts gegessen und bewegte mich nur aus meinem Zimmer, um zu duschen und um auf Toilette zu gehen. Das alles in der PrĂŒfungszeit. Ich habe es dennoch gut ĂŒberstanden und habe meine GefĂŒhle zu ihm verarbeitet. Er ist zwar heute immer noch eine tolle Person, aber mehr als sich zwischendurch mal treffen ist nicht drin.
Noch in den Sommerferien nach meinen Abschluss habe ich dann meinen ersten Freund kennengelernt. Es ging schnell. Doch so schön es auch war, ich habe es am ersten Tag in meiner neuen Schule und in meiner neuen Klasse beendet. Aus Angst. Kaum einer kannte mich. Die Angst hielt lange an, bis ich meinen zweiten Freund im Jahr darauf kennenlernte. Ich habe dieses GefĂŒhl wieder verspĂŒrt, welches ich bei meinem besten Freund hatte. Ich glaube, es war Liebe. Dann war es mir egal und ich dachte, wenn man eine Person liebt, dann kann man auch dazu stehen, denn ich wollte mich nicht verstecken mĂŒssen. Dann habe ich es getan: ich habe meinen Beziehungsstatus bei Facebook bekannt gegeben und es meinem Vater erzĂ€hlt. Alle reagierten sehr gut, es flogen keine Beleidigungen und ich wurde auch deswegen nie geĂ€rgert, was vielleicht auch an dem Status in meiner neuen Schule lag, der als engagierter SchĂŒler sehr gut ist. Auch meine Oma und meine Geschwister wussten es. Nur vor einer Person hatte ich Angst: meiner Mutter.
Da ich auch politisch engagiert bin, habe ich an einer Talkrunde zum Thema Gleichstellung in unserem schwul-lesbischen Zentrum teilgenommen. Das erzĂ€hlte ich meiner Mutter natĂŒrlich. Seit ich meinen Freund hatte, hielt ich mich dort oft auf. Kannte also schon einige Personen. Eine Woche darauf war ich zu einem 18ten Geburtstag eingeladen. Auch wieder da. Auch das erzĂ€hlte ich meiner Mutter. Sie fragte dann ganz nĂŒchtern: "Aber schwul bist du nicht?" und lachte. Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte, ich wollte nicht mehr lĂŒgen und sagte ihr, dass ich schwul bin. Ihr fiel sichtlich alles aus dem Gesicht. Sie wollte und konnte es zu diesem Zeitpunkt nicht verstehen, nannte es ekelhaft und abartig, warf mir vor, dass sie mich fĂŒr so etwas nicht in die Welt gesetzt hat und dass es so etwas in ihrer Familie nicht gibt. Sie wollte es einfach nicht glauben.
Es war eine Woche Funkstille, sie redete keinen Ton mit mir. Auf einfachste Fragen bekam ich keine Antwort. Ich beschloss, dass ich nochmal mit ihr reden wollte. Doch leider Ă€nderte sich ihre Meinung zu diesem Thema auch nach Wochen nicht, egal was fĂŒr Argumente ich brachte und egal, wie sehr ich versuchte alles zu entschĂ€rfen. Ich habe den Beschluss gefasst, meine Mutter zu verlassen und auszuziehen. Das setzte ich auch schnell in die Tat um. Als meine Mutter dann merkte, dass es ernst wird und ich das durchziehe habe ich gehofft, dass sie sich entschuldigt. Hat sie leider nicht getan. Die ersten Tage in der eigenen Wohnung waren schwierig. Ich hatte nichts. Keine Einrichtung, kein Bett. Einfach nur meine eigenen Sachen, die ich aus der Wohnung mitnahm. Mittlerweile habe ich mir einen guten Hausstand aufgebaut, auch wenn es schwer war. Meine Mutter nahm dann auch nach drei Monaten wieder Kontakt auf. Unser VerhĂ€ltnis ist gut, auch wenn sie noch nicht will, dass ich ihr jemanden vorstellen. Vorausgesetzt es gibt jemanden. Wir können noch nicht darĂŒber reden, aber ich gebe ihr die Zeit, denn ich habe nie aufgehört meine Mutter zu lieben und sie dafĂŒr zu hassen, was sie mir angetan hat.
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