Eingeredetes GlĂŒcklichsein
Coming-out war fĂŒr mich nie ein Thema. ÂIch bin so, wie ich bin und das ist gut so, aber das muss ja keiner wissen  so oder so Ă€hnlich habe ich frĂŒher gedacht. Heterolike bin ich sowieso, also kam auch nie jemand auf die Idee, dass ich schwul sein könnte.
An diesem Abend feierte der Freund einer Freundin seinen Geburtstag. Sie waren schon lĂ€nger zusammen, ich kannte ihn aber kaum. Je spĂ€ter der Abend wurde, umso enger tanzten sie und ich, bis sie mir schlieĂlich, zwar leicht angetrunken aber durchaus Frau ihrer Sinne, ins Ohr flĂŒsterte, dass sie gerne mit mir aufs Klo verschwinden wĂŒrde. ZunĂ€chst hielt ich das auch fĂŒr einen Scherz, aber sie lieĂ nicht locker, so dass ich es ernst nehmen musste. Auch nicht mehr ganz nĂŒchtern sagte ich ihr, dass das wohl ein sehr verlockendes Angebot sei, wenn ich nicht schwul wĂ€re... Wow, ich hatte gerade mein Leben, so wie ich es bisher gefĂŒhrt hatte, ĂŒber den Haufen geworfen.
Mit einem Du willst mich doch verarschen-Blick nahm sie mich am Arm und verschwand nun doch in Richtung Toilette mit mir. Ich weiĂ nicht mehr, wie lange wir vor den Toiletten standen und geredet haben, ich weiĂ auch keine Einzelheiten mehr. Nur weiĂ ich noch, dass ich direkt danach am Liebsten die ganze Welt wieder bis zu dem Zeitpunkt zurĂŒckgedreht hĂ€tte, an dem auĂer mir noch keine Menschenseele gewusst hatte, was nun auch sie wuĂte.
In den darauffolgenden Tagen habe ich mir darĂŒber Gedanken gemacht, warum ich wollte, dass niemand davon erfĂ€hrt. Und ich kam auch drauf: Ein ehemals sehr guter Freund aus unserer Clique war bzw. ist sehr homophob und hat mir wohl immer das GefĂŒhl gegeben, dass ich als Schwuler in unserer Clique nichts verloren gehabt hĂ€tte und wahrscheinlich noch mehr. Zum Zeitpunkt, meines ersten Comin-outs war der Kontakt zu diesem einen Freund allerdings bereits nicht mehr so eng und zu anderen hatte er auch nur noch sporadisch Kontakt gehalten, kurz gesagt, er hat angefangen zu saufen und sich immer mehr zurĂŒckgezogen (Raum fĂŒr Interpretation - nennen wir es Schicksal). Aber so hat er es mir wohl leichter gemacht, es ĂŒberhaupt jemandem zu sagen und dadurch darĂŒber nachdenken zu mĂŒssen.
In den Wochen danach habe ich mich bei meiner besten Freundin, meinem besten Freund und einigen weiteren engen Freunden geoutet und von allen nur positive RĂŒckmeldung bekommen. Sie waren es sogar, die mich auf schwule Partys geschleppt haben. Seitdem weiĂ ich jedenfalls auf wie viel LebensqualitĂ€t ich all die Jahre verzichtet habe.
Eigentlich ist um mich herum alles gleich geblieben, nur ich habe ein ganz anderes LebensgefĂŒhl. FrĂŒher ist es mir nicht aufgefallen, wie sehr sich bei mir alles darum gedreht hatte bloĂ keinen Anlass zu geben, dass ich nicht auch nur im Entferntesten schwul rĂŒberkommen könnte. Nicht dass ich ĂŒber alles nachgedacht hĂ€tte, ich habe es automatisch so gemacht, was natĂŒrlich dazu gefĂŒhrt hatte, dass mich viele fĂŒr asexuell hielten.
Heute weiĂ ich, warum: Meine Freiheit war eingeschrĂ€nkt. Ich habe ja wirklich nichts Sexuelles gesagt oder getan und es geht auch noch weit darĂŒber hinaus und mir fallen ganz banale Dinge auf, unter anderem, dass ich jetzt z.B. gutaussehenden Typen hinterherschaue.
Zu allem Ăberfluss habe ich mir auch noch eingeredet, dass ich damit glĂŒcklich war! Ich war es aber einfach nicht, dass weiĂ ich jetzt! Wenn mich heute jemand darauf anspricht oder wir auf das Thema kommen, stehe ich dazu und es tut einfach gut, weil ich nicht DAZU stehe, sondern ZU MIR!
Diskutiere mit anderen Jungs im Forum unserer Community. Oder kontaktiere fĂŒr eine persönliche Beratung das Team von anyway4u.