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Coming-out

"Gute Freunde haben sich abgewendet"

Von Fabian
"Gute Freunde haben sich abgewendet"
Tomasz

Der 16-jährige Tomasz hat sich über die WhatsApp-Klassengruppe geoutet. Am nächsten Tag hat niemand mehr mit ihm geredet. Der Schüler will niemandem Angst machen, im Gegenteil: Er hat eine andere Botschaft.

Videogames, vor allem Minecraft, Twitter, ein YouTube-Kanal: Tomasz verbringt viel Zeit am Computer. Kein Wunder, dass Informatik sein Lieblingsfach ist. Der 16-Jährige geht in die zehnte Klasse einer Realschule in Dortmund.

Und Tomasz ist schwul. Eigentlich keine große Sache, möchte man meinen. Immerhin hätten die meisten Deutschen nichts gegen die Ehe für alle. Gleichzeitig fühlt sich fast die Hälfte aller LGBTIQ*-Menschen diskriminiert.

Coming-out statt langen Diskussionen

Deshalb kostet es immer noch viel Überwindung, sich zu outen. Viele machen nur gute Erfahrungen damit, doch es kann auch anders ablaufen. So wie bei Tomasz: Er hat sich letztes Jahr im Mai über die WhatsApp-Klassengruppe geoutet.

Er hatte damals einen Freund, der ihn von der Schule abholen wollte. "Mein Ex ist jemand, der seinen Freund auch in der Öffentlichkeit küsst. Damit ich mir dann unnötige Diskussionen erspare, wollte ich mich eben schon vorher outen", erzählt er.

Keiner hat Tomasz verteidigt

Schon vorher gab es in der Gruppe die Vermutung, Tomasz könnte schwul sein. "Ja, das stimmt. Leute, ihr habt Recht", hat er dann einfach geschrieben. Was für eine Erleichterung: "Da ist mir ein riesiger Stein vom Herzen gefallen", erinnert sich der 16-Jährige.

Doch die negativen Reaktionen haben nicht lange auf sich warten lassen: "Scheiß Schwuchtel, wie kann man nur so sein?", hat etwa einer geschrieben. Niemand hat ihn verteidigt, keiner hat sich hinter ihn gestellt. Tomasz hat sein Handy einfach nur weggelegt.

Tomasz

Danach: Gewalt in der Öffentlichkeit statt in der Schule

Am nächsten Tag in der Schule: Stille. Keiner wollte mehr mit ihm reden. "Sogar gute Freunde haben sich von mir abgewendet", erzählt er. "Aus Angst, dass sie dafür gemobbt werden, wenn sie mit mir Kontakt haben." Da ist der Gruppenzwang stärker als Freundschaft.

Schließlich hat er sich seinem Rektor anvertraut. Tomasz konnte die Klasse wechseln. "Hier fühle ich mich viel wohler." Seitdem hat er vor allem Freunde in den jüngeren Klassen. Doch jetzt war es nicht mehr in der Schule, sondern am Dortmunder Hauptbahnhof, wo er angegriffen wurde.

"Lutscht du auch Schwänze?", wird er gefragt

Als er seinen Freund dort zum Abschied geküsst hat, hat jemand die beiden aufs Gleis geschubst. "Wenn man eins und eins zusammenzählt, kann das kein Zufall gewesen sein", sagt Tomasz. Auf dem Gleis fahren zwar selten Züge, gefährlich ist solche Gewalt trotzdem.

Ein Coming-out vor der ganzen Klasse kann schwierig sein. Oft ist es leichter, sich zuerst Freunden anzuvertrauen.
Ein Coming-out vor der ganzen Klasse kann schwierig sein. Oft ist es leichter, sich zuerst Freunden anzuvertrauen.
Lise Gagne/istockphoto.com - Model/Symbolfoto

Ein anderes Mal wurde er am Hauptbahnhof an die Wand geschubst. "Von jemanden, den ich bis heute nicht kenne. Er hat dumme Sprüche losgelassen. Ob ich Schwänze lutsche und so." Das war kurz, nachdem er sein Coming-out-Video auf YouTube hochgeladen hat. "Das verbreitet sich viral einfach super schnell."

Seine Botschaft: Es geht immer weiter

Anders als seine Umgebung hatten Tomasz Eltern von Anfang nichts dagegen, dass er schwul ist. Dass er deshalb Probleme in der Schule hat, nehmen sie sehr ernst. Doch der Schüler hat aus den schlechten Erfahrungen vor allem Positives mitgenommen: "Durch das Ganze habe ich schon mehr Selbstbewusstsein erlangt", sagt er. "Damals hat mich das schon belastet, aber heute interessiert es mich einfach nicht mehr."

Deshalb will er mit seiner Geschichte auch gar keine Angst vor dem Coming-out machen. Trotz der Reaktionen hat er sich danach sehr befreit gefühlt. "Ich bereue es überhaupt nicht. Es war gut, dass es raus war", findet er.

Jungs, die Angst vor ihrem Coming-out haben, sollten einfach wissen, dass nicht jeder offen dafür ist. "Ich will Mut machen: Denn es gibt immer Leute, die hinter einem stehen. Und es geht immer weiter."

Mehr zum Coming-out in der Schule findest du hier.

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